Konsumenten fordern, dass Rinder auf der Weide gehalten werden, verlangen im Supermarkt jedoch nach möglichst billigem Rindfleisch der immer gleichen Qualität. Dieses stammt weitgehend von Jungstieren, deren intensive Mast sich überwiegend im Stall abspielt. Konsumenten lehnen lange Tiertransporte ab, verlangen in der Gastronomie jedoch nach möglichst hellem Kalbfleisch. Bei diesem weißen Fleisch handelt es sich häufig um importiertes Kalbfleisch aus den Niederlanden, dessen helle Farbe ein Anzeichen dafür ist, dass das Kalb mangelernährt worden ist.
Gleichzeitig werden viele österreichische Kälber exportiert, weil ihr Fleisch aufgrund des höheren Preises weniger nachgefragt wird. „Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie stark die Kaufentscheidungen der Konsumenten von ihren Ansprüchen an die heimische Rindfleischproduktion abweichen. Mangelndes Wissen, aber auch fehlende Transparenz verschärfen solche Diskrepanzen“, sagt Hannes Royer, Gründer des Vereins Land schafft Leben: „Wir unterhalten uns immer nur darüber, wie die Fleischproduktion in Österreich idealerweise aussehen sollte, ändern unseren Konsum aber nicht.
Im Gegenteil: Mit unserem Kaufverhalten fördern wir häufig sogar genau jene Produktionsbedingungen, die wir eigentlich ablehnen, wenn uns jemand danach fragt. Dabei haben wir in Österreich den großen Luxus, durchaus Rindfleischprodukte wählen zu können, die unsere Ansprüche erfüllen – wir müssen aber auch dazu greifen. Und das können wir nur, wenn wir wissen, wie die Rindfleischproduktion in Österreich eigentlich aussieht.“
Mit seiner jüngsten Recherche zum Thema Rindfleisch will der Verein „Land schafft Leben“ diese Wissenslücke schließen. Bei der Vielfalt an Haltungs- und Produktionssystemen in der österreichischen Rindfleischproduktion sei aber auch klar, dass man von den Konsumenten nicht verlangen könne, sich dieses komplexe Wissen ausschließlich selbst anzueignen, meint Royer – es müsse schon auch zu ihnen gelangen: „Durch unsere Recherchearbeit zum Thema Rindfleisch ist uns einmal mehr bewusst geworden, wie dringend wir neben der Herkunftskennzeichnung auch eine Pflicht zur Haltungskennzeichnung brauchen, und zwar im Supermarkt genauso wie in der Gastronomie. Das ist der allerschnellste Weg, um den Konsumenten vor Augen zu führen, woher das Stück Fleisch auf ihrem Teller kommt und in welcher Haltung das Tier gelebt hat.“
Ideale Voraussetzungen für die Rindfleischproduktion
Rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Österreich besteht aus Grünland. Die Gräser und Kräuter, die auf diesen Flächen wachsen, sind für Menschen weitgehend unverdaulich. Erst indem sie von Wiederkäuern wie dem Rind in Lebensmittel wie Milch und Fleisch umgewandelt werden, sind sie für unsere Ernährung nutzbar. Die Rinderwirtschaft, und damit sowohl die Milch- als auch die Rindfleischproduktion, ist daher der mitunter wichtigste Produktionszweig der österreichischen Landwirtschaft – denn ohne sie könnte knapp die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht für die Lebensmittelproduktion genutzt werden.
Über 90 Prozent des gesamten Futters für die heimischen Rinder werden von den jeweiligen Betrieben selbst auf ihren eigenen Wiesen und Feldern hergestellt. Ein Umstand, der dazu beiträgt, dass die österreichische Rindfleischproduktion die EU-weit klimafreundlichste ist. Ein weiterer Faktor, der hierbei eine Rolle spielt, ist die weite Verbreitung von Zweinutzungsrassen in der heimischen Rinderwirtschaft. Weil sich diese sowohl gut für die Milch- als auch für die Fleischproduktion eignen, verteilen sich die bei der Produktion verursachten Emissionen auf eine größere Gesamtproduktmenge und sind damit je Kilogramm Lebensmittel geringer als bei reinen Milch- oder Fleischrassen.