Nur bei Billa – Hundert Prozent Frischfleisch aus Österreich –. So bewirbt der REWE-Konzern seine neu entdeckte Liebe zu heimischen Lieferanten. Für viele Marktteilnehmer ist das weniger ein Aufreger als vielmehr ein alter Hut.
Franz Dormayer, erfahrener Fleischer aus Niederösterreich, hat uns angesichts der neuen Werbung von Billa auf diese eklatante Verletzung im Sinne des unlauteren Wettbewerbs aufmerksam gemacht. Die neue Werbelinie impliziert das es in Österreich nur bei Billa 100% Frischfleisch aus Österreich gibt und diffamiert gleichzeitig nicht nur den Mitbewerb im Lebensmittelhandel, sondern auch jeden Fleischer in Österreich. Dormayer: „Woher die Fleischer ihre Schlachttiere beziehen, ist immer nachvollziehbar. Wir Fleischer kennen „unsere“ Bauern meist über Jahrzehnte und wissen, wie die Tiere aufgezogen werden, leben und geschlachtet werden. Jeder Fleischer ist dazu ausgebildet worden und arbeitet zu 100 % transparent – und das nicht erst seit dem „Tierwohl“ plötzlich im Trend ist. In unserer Branche ist wirklich alles nachvollziehbar.“
Der Lebensmittelkonzern Billa …
… hat in der Vergangenheit mit seinen Werbeaussagen schon des Öfteren für Unmut im Fleischergewerbe gesorgt. Man erinnere sich an die Kombination des Fantasiefleischers Hofstädter mit dem Hausverstand, die für geharnischte Proteste seitens der Standesvertretung sorgte. Doch wie so oft, glätteten sich die Wogen mit der Zeit und die normative Kraft des faktischen bestimmte den Alltag. Denn mit ausreichend Mitteln für großangelegte Kampagnen lässt sich fast jeder beliebige Inhalt in die Köpfe der Konsumenten pflanzen.
In der aktuelle Frischfleischkampagne des Konzerns wird vollmundig mit der Aussage geworben, man wäre der einzige Marktteilnehmer, der in der Lage wäre, ausschließlich heimisches Frischfleisch im Sortiment zu führen. Der Ärger im Fleischergewerbe nahm bisher zwar keine dramatischen Ausmaße an, ist aber dennoch deutlich zu vernehmen. Was wenig verwundert, hat der LEH-Riese durch grassierende Aktionitis und wenig zimperliche Lieferantenbeziehungen dafür gesorgt, dass im Gewerbe die Werbeaussagen noch immer mit Argusaugen verfolgt werden. „Es entsteht der Eindruck, Billa hätte ein Alleinstellungsmerkmal am Markt hat. Das kann man so nicht stehen lassen, denn im Gewerbe pflegen wir seit jeher die enge Beziehung zu regionalen Produzenten“, formuliert ein Fleischer seinen Unmut.
Seitens der AMA, …
… die für die Lizensierung des AMA-Gütesiegels für Frischfleisch im Handel verantwortlich ist, verweist man auf die bestehenden Regeln für die Auslobung, die der Konzern nach Rind- und Schweinefleisch für die Billa und Billa Plus Outlets jetzt auch für Geflügel erworben hat.
In der Standesvertretung sieht man bisher die ganze Chose etwas gelassener. Willibald Mandl, Bundesinnungsmeister der Lebensmittelgewerbe hat es schon lange aufgegeben, sich mit der Werbung der Supermarktketten intensiver zu beschäftigen und reiht die aktuelle Kampagne in den ständigen Strom der Berieselung durch Werbung ein. Abgesehen davon könne und wolle man sich im Gewerbe nicht „auf einen Wettbewerb der Vergleichbarkeit“ einlassen. Willibald Mandl: „Der Kunde, der im Supermarkt einkauft, wird kaum mehr ins Fachgeschäft zurückkehren und die Kundschaft der österreichischen Fleischerfachgeschäfte weiß um unsere Stärken, die in der eng verknüpften Regionalität und den lokalen Kreisläufen liegen.“ Im gleichen Atemzug verweist auf das Handwerksiegel. Diese Art der Zertifizierung durch die Agrarmarketing Austria wurde genau auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse des Lebensmittelgewerbes maßgeschneidert und vielerorts implementiert.
DI Anka Lorencz, …
… Bundesinnungs-Geschäftsführerin der Lebensmittelgewerbe formuliert eine nüchterne Betrachtung: „Liest man nicht zwischen den Zeilen und weiß um die Struktur des Konzerns, dann wird in der aktuellen Kampagne kommuniziert, dass Billa und Billa Plus ausschließlich Frischfleisch aus Österreich verkaufen. Bei Adeg und Penny, die ebenfalls Teil der REWE-Gruppe sind, ticken die Uhren also noch anders.“ Seitens der Standesvertretung versteht man den Ärger, will sich aber nicht in eine aussichtslose Diskussion um semantische Spitzfindigkeiten einlassen. Anka Lorencz: „Meines Erachtens geht es Billa dabei um eine Positionierung im LEH, in dem wir als Produzenten, die auch verkaufen, nicht wirklich mitspielen. Es ist ein Kampf um Marktanteile, bei dem die Fleischer sicher nicht am Radar des Konzerns sind.“
Apropos Marktanteile: Die beiden Big-Player im LEH haben sich den heimischen Markt gut aufgeteilt und der Kampf um Flächen- und Marktanteile ist so gut wie ausgefochten. Wenn sich etwas bewegt, dann im einstelligen Prozentbereich, wenn nicht gar nur bei den Zehnteln. In der Statista-Auswertung hat Spar mit 34,6% die Nase knapp vor dem Rewe-Konzern (also Billa, Billa Plus, Penny, Adeg und Bipa). Im letzten Jahr stieg der Umsatz von Spar in Österreich um fast 16 Prozent auf 8,32 Milliarden Euro. Damit konnten die Kaufleute unter der grünen Tanne den großen Rivalen im Jahr 2020 nicht nur überholen, sondern gleich um 1,3 Prozentpunkte abhängen.
Vorherrschaft im LEH
Angesichts des ständigen Rennens um die „Vorherrschaft im LEH“ wäre es interessant, so Lorencz mit einem Schmunzeln, was man eigentlich bei der Spar von solch vollmundigen Aussagen hält. „Guten Morgen – wir machen das seit 25 Jahren“, gibt Nicole Berkmann, Pressesprecherin von Spar Österreich, eine mehr als trockene Antwort und verweist darauf, dass sich Spar vom Beginn an dem AMA-Gütesiegelprogramm gewidmet habe. Was sich Billa jetzt auf die Fahnen hefte, wäre bei Spar seit mehr als zwei Jahrzehnten gelebter Alltag. Nicht explizit formuliert aber zwischen den Zeilen durchaus hörbar, ist das Amüsement, mit dem man beobachtet, wie der Mitbewerber mit gehöriger Verspätung doch noch auf einen fahrenden Zug aufspringt. Berkmann kommt auch nicht umhin auf einen markanten Unterschied in der Struktur der beiden Unternehmen hinzuweisen: „Mehr als die Hälfte aller Spar-Märkte wird von selbständigen lokalen Kaufleuten geführt, wir sind kein Konzern mit ausländischer Führung, der jetzt einen Österreichbezug herstellen muss.“
Und was sagt der ehemalige Hausverstand?
Auf telefonische Anfrage sieht man die aktuelle Kampagne als Bekenntnis zu Regionalität und Rückverfolgbarkeit, die es am Sektor Frischfleisch nur bei Billa und Billa Plus gebe. Man gehe einen neuen Weg und das werde eben so auch kommuniziert. Die Frage, ob man mit solchen Aussagen das Handwerksiegel des Gewerbes schlicht negiere und ein Vierteljahrhundert AMA-Gütesiegel ausklammere, wollte man nicht beantworten.